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Apothekenrecht

Vertretung des Apothekenleiters

Es ist gelebte Praxis, dass sich Apothekenleiter in Zeiten ihrer Abwesenheit ( z. B. Urlaub) durch freie Mitarbeiter für diesen Zeitraum vertreten lassen.

Dies ist auf den ersten Blick allzu verständlich, als der Apothekeninhaber kein Arbeitsverhältnis mit dem arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Konsequenten begründen möchte und der Vertreter auf der anderen Seite daran interessiert ist, Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit zu erzielen, um sich einerseits die sozialversicherungsrechtliche Abgaben zu ersparen , andererseits steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten offen zu halten.

Diese Praxis ist rechtlich nicht ganz unproblematisch.

1.)
Bereits aus apothekenrechtlicher Sicht wird in Zweifel gezogen, ob die Vertretung von Apothekern durch freie Mitarbeiter überhaupt zulässig ist, da dies mit der Verpflichtung des Apothekers, die Apotheke persönlich zu leiten, nicht in Einklang zu bringen sei. Es muss eine umfassende Weisungsbefugnis gegenüber dem Vertreter gewährleitstet sein. Diesbezüglich wird die Auffassung vertreten, dass dies nur im Rahmen eines Arbeitsvertrages möglich sei. Mit dieser Begründung, die nicht unumstritten ist -wurde auch das Verfahren vor dem Berufungsgericht für Heilberufe in Bayern geführt, das am 21.03.2012 ausurteilte, dass die Vertretung grundsätzlich in einem Angestelltenverhältnis stattfinden muss und eine Vereinbarung über selbstständige Arbeit auf Honorarbasis nicht möglich sei. Meiner Kenntnis nach ist diese Entscheidung mittlerweile (aus formellen Gründen) aufgehoben worden.

Aus apothekenrechtlicher Sicht wäre da zu empfehlen, bei der zuständigen Kammer eine Information einzuholen, ob von dort aus Bedenken gegen eine Beschäftigung eines Vertreters als freier Mitarbeiter bestehen.

2.)
Mit einer solchen positiven apothekenrechtlichen Beurteilung sind indessen die weitergehenden Probleme noch nicht ausgeräumt.
Insbesondere arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Aspekte sind bei der vertraglichen Handhabung von Vertretungsverhältnissen zu berücksichtigen.
Die Rechtsprechung macht die Beantwortung der Frage, ob ein Arbeitsverhältnis oder Dienstverhältnis vorliegt, maßgeblich davon abhängig, ob eine persönliche Abhängigkeit, d. h. Weisungsgebundenheit, vorliegt.
Eine persönliche Abhängigkeit liegt vor bei einer Einbindung in die fremde Arbeitsorganisation, die sich im Weitungsrecht des Arbeitgebers bzgl. Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer, Art und Ort der Tätigkeit zeigt.
Auch wenn es sich nicht um das alleinige Kriterium handelt, zeigt sich die Verpflichtung des Vertreters, im Rahmen der durch den Apothekenleiter vorgegebenen Öffnungszeiten die Vertretung zu übernehmen, dass er, der Vertreter, in diesen Punkten weisungsgebunden ist.
Dieser kann eben nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeiten gestalten und Arbeitszeit bestimmen. Auch das Bundessozialgericht stellt entscheidend auf die persönliche Abhängigkeit des Arbeitsnehmers von einem Dritten ab.
Diese Abhängigkeit des Arbeitnehmers findet ihren Ausdruck vor allem in seiner organisatorischen Eingliederung im fremden Betrieb, der Weisungsgebundenheit und des Fehlens eines Unternehmerrisikos.
Neben diesen Hauptkriterien zur Abgrenzung abhängiger Geschäftsführung und selbstständiger Tätigkeit werden auch weitere Indizien herangezogen.
Zu nennen ist hierbei die Frage, ob der beschäftigte seinerseits Arbeitnehmer beschäftigt oder über eigene Arbeitsgeräte und Arbeitsmaterial verfügt.
Sämtliche dieser Hilfserwägungen kommen beim Vertreter des Apothekenleiters regelmäßig nicht zum Tragen.

Sollte – im Regelfall später- festgestellt werden, dass es sich bei der zunächst auf Honorarbasis erfolgten Beschäftigung des Vertreters tatsächlich um eine abhängige und damit sozialversicherungspflichtige Beschäftigung handelt, hat dies für den Apothekenleiter weitreichende finanzielle Konsequenzen.

Für die Nachforderungen der nicht gezahlten Sozialversicherungsbeträge haftet der Apothekenleiter als Arbeitgeber. Er hat diese Beträge in voller Höhe zu zahlen.
Ein Rückgriff auf den Vertreter,  den nunmehrigen Arbeitnehmer, scheidet regelmäßig aus, da bei nicht bzw. fälschlich zu niedrig abgeführten Sozialversicherungsbeträgen dem Arbeitgeber nur die Möglichkeit bleibt diese bei den drei folgenden Auszahlungsterminen von der Arbeitsvergütung in Abzug zu bringen.
Dies ist allerdings regelmäßig nicht möglich, da der Arbeitnehmer, d. h. der Vertreter, üblicherweise (z.B. Urlaubsvertretung) im Zeitpunkt der Feststellung der Sozialversicherungspflicht bereits ausgeschieden ist und eine Geltendmachung des zu Unrecht nicht abgezogenen Beitragsteils nicht mehr möglich ist, da der Entgeltabzug der einzig gesetzlich zugelassene Weg ist, vom Arbeitnehmer den Beitragsanteil zur Sozialversicherung zu erhalten.
Dieser Rückforderungsanspruch kann durch Sozialversicherungsträger hingegen für einen Zeitraum von bis vier Jahren beim Arbeitgeber geltend gemacht werden.
Da davon auszugehen ist, dass derartige Vertretungsleistungen im vorgenannten Zeitraum mehrfach in Anspruch genommen wurden, kann sich ein erheblicher Nachzahlungsbetrag zur Lasten des Apothekenleiters ergeben.

Im Ergebnis erachten wir es als empfehlenswert, die Vertretung des Apothekenleiters durch Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrages zu regeln.
Es wird daher ein Arbeitsvertragsformular, das ein solches sachgrundbefristetes Arbeitsverhältnis regelt, auf der Homepage der TGL Nordrhein hinterlegt werden.

Als letzten Aspekt möchte ich noch auf u.U. bestehende haftungsrechtliche Aspekte hinweisen. Im Falle eines Haftpflichtschadens wäre zu klären, wer insoweit einstandspflichtig ist.
Arbeitnehmer, auch die befristet zur Vertretung beschäftigter Arbeitnehmer, unterfallen regelmäßig den durch den Apothekenleiter abgeschlossenen Haftpflichtversicherungsvertrag. Der selbstständige Vertreter hingegen muss über eine eigene Haftpflichtversicherung verfügen.

Auch um Unklarheiten im Haftungsfall zu vermeiden, sollte ein befristetes Arbeitsverhältnis abgeschlossen werden.

Nachtrag vom 01.02.2013:
Am 31.01.2013 wurden die Gründe der o.g. Aufhebung bekannt.
Diese erfolgte zwar aus formellen Gründen. Es wurde aber ergänzend darauf hingewiesen, dass die Begründung (apothekenrechtlichen) Unrechtmäßigkeit der freiberuflichen Vertretertätigkeit auch aus materiell-rechtlichen Gründen keinen Bestand haben dürfte.

In der Sache selbst ändert sich unsere rechtlichen Einschätzung indessen nicht.
Wir hatten dargelegt, dass die Entscheidung des Berufsgerichts für Heilberufe, das durch die o.g. genannte Entscheidung aufgehoben wurde, sich ausschließlich mit der apothekenrechtlichen Zulässigkeit beschäftigte; dies zudem – wie vorgetragen wurde -mit einer wenig überzeugenden Argumentation.

Durch eine Klärung der apothekenrechtlichen Zulässigkeit sind die Bedenken in arbeits- und sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht indessen nicht ausgeräumt.

Rechtsanwälte

Ranko Pezo &
Carsten Vennemann

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